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“Nothing to loose”

Boris Ondreicka im Gespräch

redaktionsbüro: Antje Mayer, Manuela Hötzl
Boris Ondreicka :
- Warum hast du gerade diese sechs Künstler ausgewählt?
- Ich wollte ein möglichst großes Spektrum zeigen, von den wichtigsten Künstlern der 1960er bis heute, von der klassischen Malerei bis zur performativen Kunst. Der Konzeptkünstler Július Koller, der seit den 1960er Jahren aktiv ist, hat uns jüngere Künstler enorm beeinflusst, allen voran mit seinem unnachahmlichen Sinn für Humor und natürlich durch seine Denkansätze, die sich an den internationalen modernismuskritischen Avantgarden, an Dada und Duchamp, am Nouveau Réalisme und am Situationismus, orientierten.
- Warum Laco Teren? Ist die Malerei in Bratislava immer noch so populär wie vor der Wende?
- Laco Teren ist dabei, gerade weil er Maler ist und sich damit einem Kunstgenre verpflichtet sieht, dem sich vor 15 Jahren noch sehr viele Künstler in Bratislava irgendwie widmeten, nicht zuletzt, weil unsere künstlerische Ausbildung diesbezüglich konservativ war. Laco ist nicht nur ein guter Freund, sondern eine der Integrationsfiguren der 1980er und 1990er Jahre.
- Roman Ondák dürften viele bei uns schon kennen.
- Ondák ist der wohl international erfolgreichste Künstler der Gegenwart aus Bratislava und bezieht sich offenkundig auf Koller. Die junge Künstleraktionsgruppe XYZ, die seit Ende der 1990er Jahre mit Performances, Skulpturen und Happenings an die Öffentlichkeit trat, habe ich gewählt, weil sie eine wichtige Lokalgröße ist.
- Wir haben den Eindruck, dass die zeitgenössischen Künstler aus Bratislava einen großen Hang zum Sarkasmus und zur Performance haben. Stimmt das?
- Das Performative kommt durch Künstler wie Koller. Der Hang zum schwarzen Humor wohl daher, dass wir Bratislaver Künstler uns immer in der „Nothing to lose“-Situation befanden. Das macht wohl lockerer.
- So schlecht geht es euch in Bratislava doch nicht.
- Die wirtschaftliche Lage war bei uns nie besonders rosig. Daher existiert ein Kunstmarkt in der Slowakei immer noch nicht. Bei uns gibt es keine lange Tradition in der Kunstausbildung, das ist schade, macht uns aber auch freier. Freier als zum Beispiel die Tschechen, die mit ihrem großen kulturellen Erbe leben müssen. Unsere Identität litt über Jahrhunderte darunter, dass unsere Herren dauernd wechselten. Bratislava ist eine kleine, im Grunde unbedeutende Stadt, die kleine Schwester Wiens, international kaum wahrgenommen – eine dieser Ost-Metropolen wie Ljubljana oder Zagreb, von denen international niemand so genau weiß, wo sie eigentlich liegen. Wir Bratislaver definieren uns eben mehr von innen heraus.
- Auf die Frauenquote hast du auch geachtet?
- Natürlich, aber gerne! Denisa Lehocká ist inzwischen nicht nur meine Frau, sondern eine der bedeutendsten weiblichen Künstlerinnen Bratislavas und der Slowakei, die nach 1990 auf dem Parkett erschienen. Anetta Mona Chisa arbeitet direkter. Sie ist auch eine bedeutende weibliche Figur der Kunstszene hier. Sie hat als Kuratorin schon viel bewirkt, ihre Arbeit ist feministisch, dabei witzig, prägnant und sexy.
MANUELA HÖTZL und ANTJE MAYER sind Redakteurinnen des redaktionsbuero und leben in Wien.

BORIS ONDREICKA
(1969 in Zlaté Moravce geboren) ist eine der Schlüsselfiguren der Bratislaver Kulturszene. Er arbeitete in den 1990ern als Autor für zahlreiche Magazine, Liedschreiber der Punkband „Koza z Nosa“ (Rotz aus der Nase) und ist heute Mitglied des 2003 gegründeten Konzept-Acid-Jazz-Duos „Les Band“. Seit 2002 ist er Leiter von „tranzit.sk“, dem Förderprogramm für zeitgenössische Kunst der Erste Bank. Zahlreiche internationale Einzelausstellungen. 2005 Vertreter der Slowakei auf der Biennale in Venedig.


Text erschienen in spike ART QUARTERLY Nr. 7/2006
Link:spike Art Quarterly - Link:Kunstaspekte.de/Boris Ondreicka - Link:City of Bratislava- Official Website -